Harmonische Schwingung
Inhaltsverzeichnis
Physikalischer Kontext
Die harmonische Schwingung ist eine der grundlegenden Modellbewegungen. Es ist eine periodische Bewegung. Sie ist uns schon bei der gleichförmigen Kreisbewegung begegnet, die als eine Überlagerung zweier harmonischer Schwingungen aufgefasst werden kann. Einen Körper, der harmonisch schwingt, nennt man einen harmonischen Oszillator. Es gibt eine unendlich große Anzahl schwingungfähiger Systeme. Beispielsweise Fadenpendel, Federpendel, physikalische Pendel (wie schwingende Stäbe oder Scheiben), schwingende Wasser-oder Luftsäulen, Torsionspendel (bei Verdrillung eine Drahtes). Das mit großem Abstand wichtigste dieser Pendel ist das Federpendel: Es wird uns in der Physik wieder und wieder als Modell begegnen. Zum Beispiel bei den Wellen, die in Systemen aus vielen gekoppelten harmonischen Oszillatoren auftreten, und später in der Quantenmechanik bei der Beschreibung von Schwingungen in Materie. Deshalb sollte man zumindest für das Federpendel die Physik im Kopf haben. Alle schwingungsfähigen Systemen haben gemeinsam, dass es bei ihnen eine Gleichgewichtslage (Ruhelage) und eine rücktreibende Kraft in diese Ruhelage gibt. Wenn diese rücktreibende Kraft proportional zur Auslenkung aus der Ruhelage ist, sprechen wir von einem harmonischen Oszillator oder einer harmonischen Schwingung. Bei realen Oszillatoren ist diese Bedingung häufig nur näherungsweise für kleine Auslenkungen erfüllt, weil man dann die rücktreibende Kraft $F\sim \sin(x) \approx x$ nähern kann. Wir werden herausstellen, was die harmonische Schwingung von anderen Schwingungen unterscheidet. Dann werden wir neben der Rückstellkraft noch weitere Kräfte zulassen: eine konstante Kraft, eine dämpfende Kraft ~ v und eine periodische anregende Kraft. Das führt uns auf die Federschwingung im Schwerefeld, die gedämpfte Schwingung und das Phänomen der Resonanz bei einer angeregten Schwingung. Dabei werden wir die komplexe Schreibweise für Schwingungen kennen lernen, die wir auch später bei den Wellen benötigen.
Der harmonische Oszillator

Eine harmonische Schwingung liegt dann vor, wenn
- die zugehörige potenzielle Energie quadratisch von der Auslenkung abhängt, also grafisch dargestellt eine nach oben geöffnete Parabel bildet,
- die Kraft proportional zu Auslenkung ist, also grafisch dargestellt eine Gerade ist,
- die Auslenkung als Funktion der Zeit als eine Sinus- oder Cosinusfunktion mit einer festen Kreisfrequenz dargestellt werden kann,
- die Periodendauer unabhängig von der Amplitude ist, also grafisch dargestellt eine Konstante ist,
- die Bewegungsgleichung die Form $\ddot x+\omega^2 x = 0$ (Gl.1) hat.
Alle Eigenschaften bedingen einander: Wenn eine der ersten drei zutrifft, treffen auch die anderen zu und die Schwingung ist harmonisch. Eine quadratische potenzielle Energie $E_{pot}=\frac 12 k x^2$ ergibt durch $F=-\frac{d}{dx}E_{pot}=-kx$ die lineare Kraft $F=-kx$, worin k eine positive Konstante ist. Für die lineare Kraft erhalten wir durch $-kx=m\ddot x$ die Bewegungsgleichung $\ddot x+\frac km x = 0$, worin $\omega=\sqrt{\frac km}=\frac{2\pi}{T}$ konstant ist. Ihre allgemeine Lösung lautet $x(t)=A\cdot\sin(\omega t+\varphi_0)$. Die Ort-Zeit-Kurve ist in Abb.1 gezeigt. Darin sind auch die Konstanten Amplitude A, Periodendauer $T=\frac{2\pi}{\omega}$ und die Pahsenverschiebung $\varphi_0$ verdeutlicht. Die Kreisfrequenz ω der Schwingung kann man aus der Bewegungsgleichung ablesen: ω ist stets die Wurzel aus der Konstante vor x. Die Amplitude A und die Phasenverschiebung $\varphi_0$ bestimmt man aus den Anfangsbedingungen. Wenn dagegen die rücktreibende Kraft anders von der Auslenkung abhängt (z. B. $F = − k \sin(x)$) oder die potenzielle Energie eine andere Form hat (z. B. $E_{pot} = k |x|$) findet zwar immer noch eine Schwingung statt, sie ist jedoch nicht mehr harmonisch. Die Auslenkung x(t) ist jetzt nicht mehr durch eine Sinus- oder Cosiunusfunktion gegeben, sondern kann eine ganz andere periodische Funktion sein. Eine beliebige periodische Funktion kann man als Summe von Sinus- und Cosinusfunktionen verschiedener Frequenzen und Amplituden darstellen. Eine solche Summe nennt man Fourierreihe. Das beinhaltet: Für Schwingungen gilt das Superpositionsprinzip. Deshalb kann man nichtharmonische Schwingungen (rote und blaue Ort-Zeit-Kurven in Abb.2) als eine Überlagerung vieler harmonischer Schwingungen ansehen. Abb.3 zeigt als Beispiel, wie sich eine rechteckige Schwingung aus harmonischen Schwingungen unterschiedlicher Frequenzen und Amplituden zusammensetzen lässt, die im unteren Bild gezeigt sind. Ein nichtharmonischer Oszillator schwingt daher gleichzeitig mit mehreren verschiedenen Frequenzen, wobei seine Ort-Zeit-Kurve durch die niedrigste Frequenz dominiert wird. Der harmonische Oszillator bildet demnach die Basis für komplexere Schwingungen. Daher ist gerade er so wichtig und grundlegend, und seine Physik sollte man kennen.
Physik des harmonischen Oszillators
Wir betrachten als Beispiel ein Federpendel (Abb.4). Das ist eine Feder mit der Federkonstanten k, an der ein Körper der Masse m hängt. Nach einer anfänglichen Auslenkung wird der Körper sich auf ewig periodisch hin und her bewegen, solange Reibung vernachlässigt wird. Die Kraft, die die Schwingung bewirkt, ist die Federkraft, sie genügt dem Hooke'schen Gesetz, d.h. sie wächst proportional zur Auslenkung x: $F = − kx$ der Feder von der Ruhelage. Das kann eine Dehnung oder Stauchung der Feder sein. Dabei ist k die Federkonstante in N/m. Wenn k groß ist, ist die Feder hart und läßt sich nur schwer stauchen oder dehnen. Weil F mit der Auslenkung wächst, wird der Körper bei großer Auslenkung stärker beschleunigt als bei kleiner. Bei maximaler Auslenkung hat das Pendel maximale potenzielle Energie und keine kinetische Energie. Lässt man bei t = 0 ein per Hand bis x = A ausgelenktes Federpendel los, so wird der Körper solange mit ständig abnehmender Kraft in Richtung Ruhelage bei x = 0 beschleunigt, bis dort die Kraft F = 0 ist. Dann ist auch $E_{pot}=0$. Nun hat der Körper seine maximale Geschwindigkeit und die maximale kinetische Energie. Denn sobald er aufgrund des Trägheitsgesetzes die Ruhelage überwunden hat, kehrt F das Vorzeichen um und wirkt bremsend. Daher wird der Körper nun langsamer, bis seine Geschwindigkeit v am Umkehrpunkt x = −A schließlich v = 0 ist. Dafür ist nun die potenzielle Energie wieder maximal. Jetzt beginnt derselbe Prozess wie bei t = 0 in umgekehrter Richtung erneut.
Eine Schwingung ist daher ein periodischer Vorgang, bei dem periodisch kinetische und potenzielle Energie ineinander umgewandelt werden. Gleichzeitig wird der Köper periodisch beschleunigt. Er wird schneller, dann langsamer, dann kehrt er um, wird wieder schneller, dann wieder langsamer, kehrt erneut um und so weiter. Die Zeit, die benötigt wird, bis die Ausgangsposition A erneut erreicht wird, ist die Periodendauer T. Da der Körper bei größerer Auslenkung stärker beschleunigt wird als bei kleiner Auslenkung, ist er auch beim Durchgang durch die Ruhelage bei einer größeren Amplitude A schneller als bei kleinerer Amplitude. Der Witz bei einer harmonischen Schwingung ist, dass deshalb die Periodendauer T unabhängig von der Amplitude A wird: Obwohl die Strecke pro Periode mit zunehmendem A wächst, wird dafür immer die gleiche Zeit benötigt. Denn eine lineare Kraft wächst genau richtig mit, um den Körper passend schneller zu machen. Man kann diese Eigenschaft auch mit Hilfe der potenziellen Energie erklären: Eine parabelförmige potenzielle Energie bewirkt eine quadratisch mit der Amplitude zunehmende Energie am Umkehrpunkt $E_{pot}=\frac 12 k A^2$. Weil auch die kinetische Energie quadratisch von v abhängt $E_{kin}=\frac 12 m v^2$, und sich die potenzielle Energie vollständig in die kinetische Energie umwandelt $\frac 12 k A^2=\frac 12 m v^2\ \Rightarrow\ \sqrt{\frac km}A=v$ wachsen Amplitude und Geschwindigkeit proportional zueinander. Verdoppelt sich die Amplitude, dann verdoppelt sich der Hin- und Herweg, aber eben auch die Geschwindigkeit. Deshalb ist die Dauer für eine Hin- und Herbewegung unabhängig von der Amplitude. Und das macht eine harmonische Schwingung aus.
Stelle die Bewegungsgleichung für ein Federpendel der Masse m an einer Feder mit der Federkonstanten k auf und gib die Lösung für eine Anfangsauslenkung $y=A$ bei t = 0 an!
Das besondere der Federkraft ist, dass sie proportional zur Auslenkung von der Ruhelage wächst. Für die Ruhelage wählen wir $y=0$, dann gilt für die Kraft $F=-ky$. Durch das "−" wirkt die Kraft immer so, dass sie das Pendel zurück in die Ausgangslage treibt.
Aus dieser Kraft ergibt sich die Bewegungsgleichung $-ky=m\ddot y\ \Rightarrow\ \ddot y+\frac km y =0$. Sie hat die allgemeine Lösung $y(t)=A\cdot\sin(\omega\cdot t+\varphi_0)$ mit einer bestimmten Kreisfrequenz ω und noch unbestimmter Amplitude A und noch unbestimmter Phasenverschiebung (Anfangsphase) $\varphi_0$.
Die Kreisfrequenz lesen wir aus der Bewegungsgleichung ab: Es ist immer die Wurzel der Konstante vor x, hier also $\omega=\sqrt {\frac km}$.
A und $\varphi_0$ ergeben sich aus den Anfangsbedingungen: Hier soll $y(t=0)=A$ sein. Das geht nur, wenn die Sinusfunktion für t = 0 den Wert 1 liefert. Dazu ist eine Phasenverschiebung $\varphi_0=\frac {\pi}{2}$ erforderlich.
Animation der Zusammenhänge
Das GeoGebra-Applet (Quelle: Federpendel, Kreisbewegung und harmonische Schwingung, Autor Heinz Pferschy, Lizenz: CC-BY-SA, GeoGebra Terms of Use) zeigt eine Animation der wesentlichen Zusammenhänge. Du kannst die Animation starten, indem Du auf den kleinen Pfeil links unten klickst.
Harmonischer Oszillator im Schwerefeld
Wenn man ein Federpendel senkrecht statt waagerecht aufhängt, wirkt zusätzlich zur Federkraft die Schwerkraft. Die Bewegungsgleichung lautet jetzt $-kx+mg=m\ddot x$ (Gl.1). Das ist eine inhomogene Differentialgleichung. Ihre Lösung gewinnt man aus der Lösung der homogenen Differenzialgleichung $x(t)=A\cdot\sin(\omega t)$ plus einer speziellen (partikulären) Lösung. Die spezielle Lösung liefert das Kräfteleichgewicht $\sum F = 0$ in der Ruhelage bei $x_0$, denn dann gilt $-kx+mg=0\ \Rightarrow\ x_0=\frac{mg}{k}$ (Gl.2). Das ergibt für Gl.1 die Lösung $x(t)=A\cdot\sin(\omega t)+x_0$, was man durch Ableiten und Einsetzen leicht überprüfen kann. Wenn man die Auslenkung $x' = x − x_0$ von der Gleichgewichtslage einführt, ist Gl.1 völlig äquivalent zur bisherigen Schwingungsgleichung $-kx=m\ddot x$. Weil $x_0$ konstant ist, ist nämlich $\ddot x'=\ddot x -\ddot x_0=\ddot x$ (Gl.3). Damit erhält man wieder die übliche Bewegungsgleichung $\ddot x+\frac kmx-g=\ddot x +\frac km x -\underbrace{\frac km x_0}_{\text{Gl.2}}=\ddot x+\frac km(x-x_0)=\underbrace{\ddot x'}_{\text{Gl.3}}+\frac km x'=0$ mit der Lösung $x'(t)=x(t)-x_0=A\cdot\sin(\omega t)+x_0$. Eine konstante Kraft ändert also eine Schwingung nicht, sondern verschiebt nur den Nullpunkt.
Vertiefung
Lösung der Bewegungsgleichung
Die Begungsgleichung $\ddot x+\omega^2 x=0$ löst man mit dem Exponentialansatz $x(t)=e^{\lambda t}$. Einsetzen ergibt mit $\ddot x(t)=\lambda^2 e^{\lambda t}$ die Gleichung $\lambda^2 e^{\lambda t}+\omega^2 e^{\lambda t}=0\ \Rightarrow\ \lambda^2+\omega^2 =0\ \Rightarrow\ \lambda=\sqrt{-\omega^2}$ mit den komplexen Lösungen $\lambda_{1,2}=\pm i\omega$.
Die allgemeine Lösung unserer Schwingungsgleichung ist daher $x(t)=c_1 e^{i\omega t}+c_2 e^{-i\omega t}$.
Die Integrationskonstanten $c_1$ und $c_2$ kann man über Anfangsbedingungen festlegen.
Mit dem Startort $x_0=x(t=0)$ ergibt sich aus der allgemeinen Lösung $x(0)=x_0=c_1+c_2$.
Mit der Anfangsgeschwindigkeit $v_0=v(t=0)=\dot x(t=0)$ ergibt sich aus der Ableitung $\dot x(t)=i\omega c_1 e^{i\omega t}- i\omega c_2 e^{-i\omega t}$ der allgemeinen Lösung $v(0)=v_0=i\omega (c_1-c_2)$.
Daraus erhält man die komplexen Amplituden $c_1=\frac 12\left(x_0-i\frac{v_0}{\omega}\right)$ und $c_2=\frac 12\left(x_0+i\frac{v_0}{\omega}\right)$.
Einsetzen dieser Amplituden in die Lösung führt auf $x(t)=\frac 12\left(x_0-i\frac{v_0}{\omega}\right) e^{i\omega t}+\frac 12\left(x_0+i\frac{v_0}{\omega}\right) e^{-i\omega t}$. Dieser Ausdruck ist wieder reell, was man am einfachsten sieht, wenn man $z(t)=\frac 12\left(x_0-i\frac{v_0}{\omega}\right) e^{i\omega t}$ setzt. Dann ist $x(t)$ nämlich nichts anderes als $x(t)=z(t)+z^*(t)=2\,\text{Re}[z(t)]$. Auswerten mit der Eulerschen Formel ergibt $2\,\text{Re}[z(t)]=\text{Re}\left[2 \frac 12\left(x_0-i\frac{v_0}{\omega}\right) (\cos(\omega t)+ i \sin(\omega t))\right]=\text{Re}\left[x_0 \cos(\omega t)-i\frac{v_0}{\omega}\cos(\omega t)- i x_0 \sin(\omega t)+\frac{v_0}{\omega}\sin(\omega t)\right]=x_0 \cos(\omega t)+\frac{v_0}{\omega}\sin(\omega t)$.
Das lässt sich schließlich mit dem Additionstheorem $\sin(x+y)=\sin(x)\cos(y)+\sin(y)\cos(x)$ ind die bekannt Form umwandeln.
Mit $x_0=A\,\cos(\varphi_0)$ und $\frac{v_0}{\omega}=A\,\sin(\varphi_0)$ wird $x(t)=A\cos(\varphi_0) \cos(\omega t)+A\,\sin(\varphi_0)\sin(\omega t)=A\,\sin(\omega t+\varphi_0)$. Und für A erhalten wir aus $x_0^2+\frac{v_0^2}{\omega^2}=A^2\left(\cos^2(\varphi_0)+\sin^2(\varphi_0)\right)=A^2$ am Ende $A=\sqrt{x_0^2+\frac{v_0^2}{\omega^2}}$.
Zusammenfassung
Der harmonische Oszillator bzw. die harmonische Schwingung ist einen grundlegende idealisierte Modellvorstellung. Um ihn an die Realität anzupassen, kann man eine dämpfende Reibungkraft einführen, das ergibt dann eine gedämpfte Schwingung oder auch eine anregende Kraft, was dann zu einer erzwungenen Schwingung führt. Beide werden in eigenen Artikeln besprochen.