Elastischer Stoß
Inhaltsverzeichnis
Was ist ein Stoß?
Von einem Stoß spricht man, wenn sich zwei Körper, auf die keine äußeren Kräfte wirken, aufeinander zubewegen und nur gegenseitige Kräfte aufeinander ausüben. Um einen Stoß physikalisch zu beschreiben, muss man nichts über die Kräfte wissen, die die Körper aufeinander ausüben. Bei einem zentralen Stoß ist es ausreichend, die Anfangsimpulse und die Massen zu kennen, um die Endimpulse zu bestimmen.
Herleitung: Energie- und Impulsbilanz im Schwerpunktsystem
Jetzt betrachten wir elastische Stöße zweier Körper theoretisch und berechnen vektoriell den allgemeinen Fall. Wir wenden dazu Impuls-und Energieerhaltung im isolierten System an. Mit $m_1$ und $m_2$ bezeichnen wir die Massen beider Körper. Mit $\vec v_{i1}$ und $\vec v_{i2}$ bezeichnen wir die Anfangsgeschwindigkeiten vor dem Stoß, mit $\vec v_{f1}$ und $\vec v_{f2}$ die Endgeschwindigkeiten nach dem Stoß im erdfesten Bezugsystem LS (Laborsystem). Gestrichene Größen wie z.B. $\vec v_{f1}'$ beziehen sich auf das Schwerpunktsystem CMS. Zur Herleitung benötigen wir die Galileo-Transformation und die Bilanzen für Erhaltungsgrößen im isolierten System. Sie enthält folgende Schritte:
- Schritt: Berechnung der Schwerpunktgeschwindigkeit $\vec v_s=\frac{1}{m_1+m_2}\left(m_1 \vec v_{i1}+m_2\vec v_{i2}\right)$ und damit Transformation der $\vec v_i$ ins Schwerpunktsystem CMS: $\vec v_{i1}'=\vec v_{i1}-\vec v_s$ und $\vec v_{i2}'=\vec v_{i2}-\vec v_s$.
- Schritt: Anwendung von Impuls- und Energieerhaltung im Schwerpunktsystem.
- 2.1 Impulsbilanz im CMS: Gesamtimpuls vorher (t1) = Gesamtimpuls nacher (t2) = 0.
Die Impulserhaltung verlangt $m_1 \cdot\vec v_{i1}'+m_2 \cdot\vec v_{i2}'=m_1 \cdot\vec v_{f1}'+m_2 \cdot\vec v_{f2}'=0$. - Daraus folgen unmittelbar
- $m_1 \cdot\vec v_{i1}'=-m_2 \cdot\vec v_{i2}'\qquad\text{(1a)}$
- $m_1 \cdot\vec v_{f1}'=-m_2 \cdot\vec v_{f2}'\qquad\text{(1b)}$.
- Aus (1a) ergeben sich
- $\vec v_{i1}'=-\dfrac{m_2}{m_1} \cdot\vec v_{i2}'\qquad\Rightarrow\qquad\vec v_{i1}'^2=\dfrac{m_2^2}{m_1^2} \cdot\vec v_{i2}'^2\qquad\text{(2a1)}$
- $\vec v_{i2}'=-\dfrac{m_1}{m_2} \cdot\vec v_{i1}'\qquad\Rightarrow\qquad\vec v_{i2}'^2=\dfrac{m_1^2}{m_2^2} \cdot\vec v_{i1}'^2\qquad\text{(2a2)}$.
- Aus (1b) ergeben sich
- $\vec v_{f1}'=-\dfrac{m_2}{m_1} \cdot\vec v_{f2}'\qquad\Rightarrow\qquad\vec v_{f1}'^2=\dfrac{m_2^2}{m_1^2} \cdot\vec v_{f2}'^2\qquad\text{(2b1)}$
- $\vec v_{f2}'=-\dfrac{m_1}{m_2} \cdot\vec v_{f1}'\qquad\Rightarrow\qquad\vec v_{f2}'^2=\dfrac{m_1^2}{m_2^2} \cdot\vec v_{f1}'^2\qquad\text{(2b2)}$.
- 2.2 Energiebilanz in CMS: Energie vorher (t1) = Energie nacher (t2), (nur kinetische Energien)
- Die Energieerhaltung fordert $\frac12 m_1 {v_{i1}'}^2+\frac12 m_2 {v_{i2}'}^2=\frac12 m_1 {v_{f1}'}^2+\frac12 m_2 {v_{f2}'}^2$.
- Daraus folgt mit (2a2) und (2b2)
- $\frac12 m_1 {v_{i1}'}^2+\frac12 \dfrac {m_1^2}{m_2} {v_{i1}'}^2=\frac12 m_1 {v_{f1}'}^2+\frac12 \dfrac {m_1^2}{m_2} {v_{f1}'}^2$.
- Ausklammern ergibt
- $\left(\frac12 m_1 +\frac12 \dfrac {m_1^2}{m_2}\right) {v_{i1}'}^2=\left(\frac12 m_1 +\frac12 \dfrac {m_1^2}{m_2}\right) {v_{f1}'}^2$.
- Das ergibt wiederum
- ${v_{i1}'}^2={v_{f1}'}^2\qquad\text{(3a)}$.
- Und analog mit (2a1) und (2b1)
- $\frac12 \dfrac {m_2^2}{m_1} {v_{i2}'}^2+\frac12 m_2 {v_{i2}'}^2=\frac12 \dfrac {m_2^2}{m_1}{v_{f2}'}^2+\frac12 {m_2} {v_{f2}'}^2$.
- Ausklammern ergibt
- $\left(\frac12 \dfrac {m_2^2}{m_1}+\frac12 m_2\right) {v_{i2}'}^2=\left(\frac12 \dfrac {m_2^2}{m_1}+\frac12 m_2 \right) {v_{f2}'}^2$.
- Das ergibt wiederum
- ${v_{i2}'}^2={v_{f2}'}^2\qquad\text{(3b)}$.
- 2.1 Impulsbilanz im CMS: Gesamtimpuls vorher (t1) = Gesamtimpuls nacher (t2) = 0.
- Schritt: Rücktransformation der Ergebnisse ins Laborsystem LS durch $\vec v'=\vec v-\vec v_s$
- Wir ersetzen alle $\vec v'$ durch $\vec v-\vec v_s$.
- Aus (2a1) und (2b1) wird
- ${(\vec v_{i1}-\vec v_s)}={-\dfrac {m_2^2}{m_1}(\vec v_{i2}-\vec v_s)}\qquad\text{(4a)}$
- ${(\vec v_{f1}-\vec v_s)}={-\dfrac {m_2^2}{m_1}(\vec v_{f2}-\vec v_s)}\qquad\text{(4b)}$.
- Aus (3a) und (3b) wird
- ${(\vec v_{i1}-\vec v_s)}^2={(\vec v_{f1}-\vec v_s)}^2\qquad\text{(3a1)}$
- ${(\vec v_{i2}-\vec v_s)}^2={(\vec v_{f2}-\vec v_s)}^2\qquad\text{(3b1)}$.
- Allgemein ausgedrückt bedeutet das
- ${(\vec v_{i}-\vec v_s)}^2={(\vec v_{f}-\vec v_s)}^2\qquad\text{(5)}$
Die Gleichung (4a) definiert nur das Schwerpunktsystem, die übrigen Gleichungen (4b) und (5) beinhalten das Endergebnis:
$\vec v_{f2}-\vec v_s=-\dfrac{m_1}{m_2}(\vec v_{f1}-\vec v_s)\qquad\text{(4b)}$
In vektorieller Form diskutieren wir das Ergebnis bei den zweidimensionalen Stößen. Jetzt betrachten wir es für den eindimensionalen „zentralen Stoß“.
Elastischer zentraler Stoß
Von einem zentralen Stoß spricht man z.B., wenn sich die Schwerpunkte beider Körper vor und nach dem Stoß auf derselben Linie bewegen. Das ist der Fall, wenn sich beispielsweise zwei stoßende Kugeln mittig treffen. Aus (5) erhalten wir durch Ziehen der Wurzel $\vec v_f-\vec v_s=\pm(\vec v_i-\vec v_s)$. Das „+“ entspricht dem Fall, dass kein Stoß stattgefunden hat, denn dann ergibt sich $\vec v_f=\vec v_i$. Der Stoß selbst wird also durch das Ergebnis mit „−“ beschrieben: $\vec v_f-\vec v_s=-(\vec v_i-\vec v_s)$. Diese Gleichung entspricht $\vec v'_f=-\vec v'_i$ im Schwerpunktsystem. Sie bedeutet, dass ein Stoß im Schwerpunktsystem immer nur eine simple Impulsumkehr erzeugt. Deshalb wird im CMS keine Energie zwischen den Stoßpartnern ausgetauscht, denn eine Vorzeichenumkehr des Impulses ändert die kinetische Energie nicht. Aus der Gleichung ergibt sich außerdem $\vec v_f-\vec v_s=\vec v_s-\vec v_i\quad \Rightarrow \quad \vec v_f=2\vec v_s-\vec v_i$. Das ist unser Endergebnis:
Für eine eindimensionale Bewegung können wir alle Vektoren $\vec v$ als Skalare behandeln und die Richtung durch das Vorzeichen erfassen. Soviel zu trockenen Theorie. Jetzt wollen wir sie in Alltags-Situationen umsetzen. Anhand der Unterschiede im Impuls- und Energieübertrag können wir auch den Stößen verschiedene Modellstöße zuordnen: Stoß mit ruhender Wand, Stoß mit bewegter Wand, Billardstoß usw. Als „Wand“ bezeichnen wir immer ein Objekt, dessen Masse viel größer ist als diejenige des Stoßpartners. Wir können dann die Masse des Stoßpartners vernachlässigen und Wandgeschwindigkeit und Schwerpunktgeschwindigkeit sind identisch. Beim Billardstoß gehen wir von gleichen Massen aus und eine davon ruht anfangs. Die Analyse der Stoßprozesse zeigt: Der relative Impulsübertrag ist abhängig von der Richtungsänderung und maximal bei Rückreflexion. Der relative Energieübertrag ist abhängig vom Massenverhältnis und maximal bei Massengleichheit.
Animation von Stoßprozessen
Die folgende wunderschöne PhET-Simulation Collision Lab.2.01 (PhET Interactive Simulations, University of Colorado, https://phet.colorado.edu) ermöglicht es, diese Zusammenhänge auch visuell nachzuvollziehen.