Bewegungen im dreidimensionalen Raum

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Ort, Geschwindigkeit und Beschleunigung als Vektoren

Wenn Bewegungen nicht nur geradlinig entlang einer Raumrichtung erfolgen, müssen die Bewegungsgrößen Ort, Geschwindigkeit und Beschleunigung durch Vektoren ausgedrückt werden, um die Richtung der Bewegung beschreiben zu können. Denn bei einer mehrdimensionalen Bewegung im Raum bewegt sich ein Objekt gleichzeitig in mehrere Richtungen. Anders ausgedrückt: Unterschiedliche Bewegungen in unterschiedliche Richtungen erfolgen simultan und überlagern sich. Bei einem schief in die Höhe geworfenen Ball (schiefer Wurf) bewegt sich der Ball zum Beispiel gleichzeitig in die horizontale und in die vertikale Richtung. Eine solche Bewegung können wir dann mit einem Vektor beschreiben, dessen x-Komponente die horizontrale und dessen y-Komponente die vertikale Bewegung beinhaltet $\vec r(t)=\left (\matrix{x(t)\cr y(t)} \right)$. Beim schiefen Wurf und bei allen Bewegungen, die in einer Ebene stattfinden, genügen zwei Komponenten. Für die allgemeine Bewegung im Raum benötigen wird einen dreikomponentigen Vektor. Diesen Vektor, der den Ort anzeigt, nennen wir Ortsvektor.

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Ortsvekor $\vec r(t)=\left (\matrix{x(t)\cr y(t)\cr z(t)} \right)=x(t)\ \hat x+y(t)\ \hat y+z(t)\ \hat z$. Ein Ortsvektor ist gebunden und beginnt immer im Koordinatenursprung. (Gl.1)

Darin sind \(\hat x,\,\hat y,\, \hat z\) die Einheitsvektoren in die Richtungen x,y,z. Jede Komponente des Vektors entspricht einer eindimensionalen Ort-Zeit-Kurve. Alles, was wir über die eindimensionalen Bewegungen gelernt haben, gilt genauso für die dreidimensonale Bewegung. Daher sind Geschwindigkeit und Beschleunigung wieder durch die differentiellen Zusammenhänge Zeitableitung bzw. Zeitintegration verknüpft:

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Die Geschwindigkeit ist ${\vec v(t)}=\dfrac{d\vec r}{dt}=\dot{\vec r}$ und $d\vec r(t)=\vec v\, dt$. (Gl.1)
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Die Beschleunigung ist ${\vec a(t)}=\dfrac{d\vec v}{dt}=\dot{\vec v}=\ddot{\vec r}$ und $d\vec v(t)=\vec a\, dt$. (Gl.2)

Die Zeitableitung und Integration der Vektoren erfolgt komponentenweise. Wenn eine Bewegung in einer Ebene stattfindet, lassen wir einfach eine Komponente, z.B. die z-Komponente weg. Die Grundidee hinter dieser Vorgehensweise ist ein genial einfaches Konzept der Physik: das Superpositionsprinzip! Das ist eigentlich nur der Fachbegriff für Addition!

Superpositionsprinzip

Jede dreidimensionale Bewegung kann in drei einzelne Bewegungen in jede der drei Raumrichtungen zerlegt werden. Oder anders ausgedrückt: Jede dreidimensionale Bewegung ist eine Überlagerung, genauer die Summe (= Superposition) von drei eindimensionalen Bewegungen in jede der drei Raumrichtungen.

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Verständniserkenntnis
"Superpositionsprinzip" bedeutet, man kann jede dreidimensionale Bewegung komponentenweise beschreiben und so auf eindimensionale Bewegungen zurückführen:
Bewegungungsgröße (d.h. (\(\vec r(t)\), (\(\vec v(t)\) oder (\(\vec a(t)\))= Bewegungsgröße in x-Richtung \(\cdot\hat x\) + Bewegungsgröße in y-Richtung \(\cdot\hat y\) + Bewegungsgröße in z-Richtung \(\cdot\hat z\).
Das gilt für alle Größen der Bewegung gleichermaßen, also für den Ort, die Geschwindigkeit und die Beschleunigung.

Trajektorien

Abb.1 Trajektorie beim schiefen Wurf

Für die eindimensionale Bewegung haben wir Ort-Zeit-, Geschwindigkeit-Zeit- und Beschleunigung-Zeit-Diagramme kennengelernt. Für mehrdimensionale Bewegungen funktioniert diese Darstellung nicht mehr, denn dann müssten wir drei oder vier Größen simultan darstellen (zwei oder drei Orte und Zeit), haben aber nur zwei Achsen für Ort und Zeit. Üblicherweise löst man dies, indem man die Zeitinformation im Bild weglässt, und nur die Orte darstellt. Die Linie, die alle Orte verbindet, ist die Bahnkurve. Der Fachbegriff dafür ist Trajektorie. Abb1. zeigt die Trajektorie des schiefen Wurfes und wie sie zustande kommt. Die horizontale und vertikale Bewegung sind einzeln dargestellt. Horizontal bewegt sich der Körper gleichförmig, vertikal gleichmäßig beschleunigt. Der Ortsvektor (blauer Pfeil) zeigt auf den Punkt (x(t)|y(t)), an dem sich das Objekt zur Zeit t gerade befindet. Die Trajektorie ist die Verbindungslinie dieser Punkte. Es ist die Linie, die die Spitze des Ortsvektors $\vec r(t)$ während der Bewegung zeichnet. Sie gibt alle aufgesuchten Orte an, enthält jedoch keine Informationen darüber, wann ein Objekt wo war. Diese Information muss man gesondert angeben, zum Beispiel in Form eines Ausdruckes für $\vec r(t)$. Auch wenn wir eine Trajokterie wie in Abb.1 unwillkürlich von links nach rechts lesen, steckt die Information, in welche Richtung die Kurve durchlaufen wird, in der sich ergebenden Kurve nicht drin. Die Kurve könnte genauso auch von rechts nach links durchlaufen werden. Ebensowenig können wir der Kurve die Geschwindigkeit des Körpers vollständig entnehmen. Wenn man aus einem Ausdruck $\vec r(t)$ die Trajektorie z.B. als y(x) bestimmen will, muss man x(t) nach t auflösen und diesen Ausdruck für t in y(t) einsetzen. Dadurch geht die Zeitabhängigkeit verloren.

Beispiel 1: Trajektorie als y(x) des schiefen Wurfes (Wurfparabel)
Der schiefe Wurf hat den Ortsvektor $\vec r(t)=\left(\begin{matrix}x_0+v_{0x}t \\y_0+v_{0y}t-\frac 1 2 g t^2\end{matrix}\right)$. Auflösen von x(t) nach t ergibt $t=\dfrac{x-x_0}{v_{0x} }$. Wenn dieser Ausdruck in y(t) eingesetzt wird, erhält man: $y(x)=y_0+v_{0y}\cdot (\dfrac{x-x_0}{v_{0x} })-\dfrac 12 g\left(\dfrac{x-x_0}{v_{0x} }\right)^2$. Das ist die Trajektorie (Wurfparabel) y(x).


Abb.2 Richtung der Geschwindigkeit

Was wir aus der Kurve jedoch ablesen können, sind mögliche Richtungen der Geschwindigkeit, denn der Geschwindigkeitsvektor liegt immer tangential an der Bahnkurve. Abb.2 zeigt den Zusammenhang. Eine kleine (differentielle) Verschiebung des Ortsvekors im Zeitintervall dt schneidet aus der Bahnkurve das Stückchen $d\vec r$ heraus. Das ist nichts anderes als ein kleines Wegstück. Die Geschwindigkeit hat - genau wie bei der eindimensionalen Bewegung - immer die gleiche Richtung wie das Wegstück. Die Länge des Geschwindigkeitspfeils, die den Betrag der Geschwindigkeit angibt, können wir aus der Darstellung nicht bestimmen. Dazu müssten wir wissen, welche Zeit beim zurücklegen des Wegstückes verstrichen ist.

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Verständniserkenntnis
Eine Zeichnung der Trajektorie zeigt die Bahnkurve der Bewegung. Man kann ihr nur mögliche Richtungen der Geschwindigkeitsvektoren entnehmen, sie liegen immer tangential an der Trajektorie. Eine Trajektorie enthält keine Informationen darüber, wann ein Objekt wo war. Sie ist kein Ort-Zeit-Diagramm und sollte nicht damit verwechselt werden.

Verständnisfrage 1: Wie lautet y(x) für $\vec r(t)=\left(\begin{matrix}x_0+v_{0x}t \\y_0+v_{0y}t\end{matrix}\right)$?
Auflösen von x(t) nach t ergibt $t=\dfrac{x-x_0}{v_{0x} }$. Wenn dieser Ausdruck in y(t) eingesetzt wird, erhält man: $y(x)=y_0+v_{0y}\cdot (\dfrac{x-x_0}{v_{0x} })$. Das ist eine Gerade mit der Steigung $\dfrac{v_{0y} }{v_{0x} }$ und dem Schnittpunkt mit der y-Achse bei $y_0-\dfrac{v_{0y} }{v_{0x} }\cdot x_0$.


Spezielle Bewegungen

Bei vielen mehrdimensionalen Bewegungen sind die Bewegungen in die einzelnen Raumrichtungen unabhängig voneinander. Das bedeutet, sie beeinflussen sich nicht gegenseitig. Es gibt aber auch Bewegungen, bei denen sie starr miteinander gekoppelt sind oder ich gegenseitig beeinflussen. Wir betrachten jetzt einige grundlegende Bewegungsformen, um das Grundprinzip der Vorgehensweise zu vertiefen.

Gleichförmige Bewegungen

Abb.3 Summe zweier gleichförmiger Bewegungen

Die einfachste Form für unabhängige mehrdimensionalen Bewegungen entsteht, wenn sich zwei gleichförmige Bewegungen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten überlagern. Das ist z.B. der Fall, wenn ein Flugzeug in bewegter Luft (d.h. bei konstantem Wind) fliegt oder wenn ein Boot auf einem strömenden Fluss fährt, sofern alle Geschwindigkeiten konstant sind. Diese Bewegung kann man immer auch als einfache eindimensionale Bewegung beschreiben, denn sie ist zwangsläufig gradlinig mit konstanter Geschwindigkeit. Und wählt man als Koordinatenrichtung die Bewegungsrichtung, dann genügt eine Koordinate. Dazu müsste man in Abb.3 z.B. nur das Koordinatensystem so verdrehen, dass die x-Richtung mit der Bewegungsrichtung zusammenfällt. In der zweidimensionalen Beschreibung ist der Ortsvektor $\vec r(t)=\left(\begin{matrix}x_0+v_{0x}t \\y_0+v_{0y}t\end{matrix}\right)$. Geschwindigkeit und Beschleunigung ergeben sich durch die Zeitableitung: $\vec v(t)=\dot{\vec r}(t)=\left( \begin{matrix}v_{0x} \\v_{0y}\end{matrix} \right)$ und $\vec a(t)=\dot {\vec v}(t)=\left(\begin{matrix}0 \\0\end{matrix}\right)$. Schauen wir uns dazu ein Beispiel an:

Abb.B2
Beispiel 2: Boot auf dem Fluss
Ein Boot fährt auf dem Wasser eines Flusses mit $v_{B}^W$ in y-Richtung. Gleichzeitig strömt das Wasser aber mit $v_{W}^G$ in x-Richtung über den Grund. Deshalb bewegt sich das Boot insgesamt mit ${\vec v}_B^G=v_{W}^G\ \hat x+v_{B}^W\ \hat y$ über den Grund (Abb.B2 rechts). Die x-Komponente der Geschwindigkeit über Grund entsteht durch die Strömung des Wassers, die y-Komponente durch den eigenen Antrieb des Bootes. Das Boot wird von dem Wasser mitgenommen, denn selbst, wenn es nicht fahren würde, würde es durch die Strömung ja fortbewegt (Abb.B2 links). Daran ändert sich auch nichts, wenn das Boot genau in y-Richtung steuert, denn es kann ja nun mal nur auf der sich bewegenden Wasseroberfläche fahren und nicht auf dem ruhenden Grund des Flusses. Nur wenn das Wasser nicht strömen würde, wären die Geschwindigkeit des Bootes über Grund gleich der auf dem Wasser (Abb.B2 mitte). Die Bewegungen sind unabhängig voneinander, weil die Geschwindigkeit des Bootes auf dem Wasser keinen Einfluss auf die Strömungsgeschwindigkeit des Flusses über Grund hat. Und umgekehrt hat die Strömungsgeschwindigkeit des Wassers über Grund keinen Einfluss auf die Geschwindigkeit des Bootes auf dem Wasser. Aber natürlich ist die resultierende Geschwindigkeit $\vec v^G$ des Bootes über Grund von beiden Geschwindigkeiten abhängig.


Abb.B2
Beispiel 3: Boot auf dem Fluss

Beispiel 2 zeigt auch: Die Zeit, die das Boot zum Überqueren des Flusses benötigt, hängt nicht davon, wie schnell der Fluss strömt. Aber hängt sie davon ab, in welche Richtung das Boot steuert? Denn durch das Abtreiben lassen wird der Weg ja länger. Wäre der kürzere Weg nicht schneller? Schauen wir uns dazu die Geschwindigkeitsvektoren in Abb.B2 an. Die Geschwindigkeit des Bootes über Grund ${\vec v}_{B}^G$ ist immer die Summe aus der Fahrgeschwindigkeit des Bootes auf dem Wasser ${\vec v}_{B}^W$ und der Geschwindigkeit des Wassers über Grund ${\vec v}_{W}^G$. Egal, in welche Richtung das Boot mit ${\vec v}_{B}^W$ fährt, der vektorielle Zusammenhang ist immer: ${\vec v}_{B}^G={\vec v}_{B}^W+{\vec v}_{W}^G$.

Abb.B3 links zeigt den Fall, dass sich das Boot abtreiben lässt. Wenn es abtreiben lässt, bewegt es sich mit seiner gesamten Fahrgeschwindigkeit ${\vec v}_{B}^W$ direkt zum anderen Ufer. Schneller geht es nicht.

Abb.B3 rechts zeigt den Fall, dass das Boot gegensteuert, d.h. der Strömung soweit entgegenfährt, dass es in Summe wieder genau in y-Richtung und somit den kürzesten Weg fährt. Weil es jedoch der Strömung etwas entgegenfährt, ist ein Teil seiner Fahrgeschwindigkeit nach x gerichtet. Dadurch wird natürlich seine Fahrgeschwindigkeit nach y kleiner. Es braucht also mehr Zeit! Seine verminderte Geschwindigkeit ${v}_{B}^G$ in y-Richtung über Grund erhalten wir einfach aus Pythagoras, denn es ist $({v}_{B}^W)^2=({v}_{W}^G)^2+({v}_{B}^G)^2$, d.h. $({v}_{B}^G)=\sqrt{({v}_{B}^W)^2-({v}_{W}^G)^2}$ und somit kleiner als ${v}_{B}^W$.


Verständnisfrage 2: Käme das Boot nicht noch schneller über den Fluss, wenn es etwas in Richtung der Strömung steuert? Denn dadurch wird sein Tempo ja noch größer.
Nein, denn auch in diesem Fall wird seine Geschwindigkeitskomponente in Richtung Ufer wieder kleiner.


Gleichförmige plus gleichmäßig beschleunigte Bewegung

Ein Beispiel für die unabhängige Addition einer gleichförmigen Bewegung mit einer gleichmäßig beschleunigten Bewegung ist der schiefe Wurf. Die Animation der Bewegung zeigt Abb.1. Beim schiefen Wurf ist die Beschleunigung a festgelegt. Es ist die negative Erdbeschleunigung a = −g. Gleichartige Bewegungen treten jedoch auch woanders auf, z.B. wenn eine elektrische Ladung mit der anfänglichen Geschwindigkeit $\vec v$ in ein senkrecht zu $\vec v$ gerichtetes elektrisches Feld $\vec E$ eintritt. Oder, wenn eine Rakete nach dem Ausbrennen ein Steuertriebwerk zündet, das konstanten seitlichen Schub erzeugt, um den Kurs zu korrigieren. Das entscheidende ist, dass wir in eine Richtung eine konstante Geschwindigkeit und senkrecht dazu eine konstante Beschleunigung haben.

Beispiel 4: Schiefer Wurf
Der schiefe Wurf (ohne Luftreibung) ist eine zweidimensionale Bewegung. Er ist eine Überlagerung (Superposition) aus einer gleichförmigen Bewegung in horizontaler Richtung und einer gleichmäßig beschleunigten Bewegung (senkrechter Wurf) in vertikaler Richtung: $\text{schiefer Wurf} =\left(\begin{align}&\text{x-Richtung: }gleichförmige\text{ Bewegung}\\&\text{y-Richtung: senkrechter Wurf}\end{align}\right)$. Beide Bewegungen beeinflussen sich gegenseitig nicht, solange der Luftwiderstand vernachlässigt werden kann. Der Ortsvektor lässe sich mathematisch so ausdrücken: $\vec r(t)=\left(\begin{matrix}x_0+v_{0x}t \\y_0+v_{0y}t-\frac 1 2 g t^2\end{matrix}\right)$. Geschwindigkeit und Beschleunigung ergeben sich durch die Zeitableitung: $\vec v(t)=\dot{\vec r}(t)=\left( \begin{matrix}v_{0x} \\v_{0y}- g t\end{matrix} \right)$ und $\vec a(t)=\dot {\vec v}(t)=\left(\begin{matrix}0 \\- g \end{matrix}\right)$. Die Geschwindigkeit in x-Richtung ($v_x(t)=v_{0x}$ beeinflusst die Geschwindigkeit in y-Richtung ($v_y=v_{0y}- g t $) nicht! Das bedeutet auch: Wenn man einen Ball mit der gleichen vertikalen Geschwindigkeit $v_{0y}$ aus der gleichen Höhe $y_0$ nach oben wirft, kommt er immer in der gleichen Zeit am Boden auf, egal, welche Geschwindigkeit $v_{0x}$ man ihm dabei mitgibt. Das zeigt das nächste Beispiel.


Abb.B5
Beispiel 5: Waagerechter Wurf und freier Fall

In einem Experiment werden zwei identische Kugeln gleichzeitig in gleicher Höhe in Bewegung gesetzt. Die eine Kugel wird einfach aus der Ruhe fallen gelassen. Die andere Kugel wird mit einer Anfangsgeschwindigkeit v0x horizontal abgeschossen (Abb.B5).
Ergebnis: Beide Kugeln prallen gleichzeitig am Boden auf, obwohl der zurückgelegte Weg bei dem horizontalen Schuss eindeutig länger ist.

Erklärung: Der vertikale Fall ist bei beiden Kugeln gleich und wird nicht durch die horizontale Geschwindigkeit beeinflusst. Mathematisch beschreiben wir die beiden "Fälle" durch a) freier Fall $\vec v_{Fall}(t)=\left( \begin{matrix}0 \\- g t\end{matrix} \right)$ und b) horizontaler Wurf $\vec v_{Wurf}(t)=\left( \begin{matrix}v_{0x} \\- g t\end{matrix} \right)$. Wir sehen an den Ausdrücken unmittelbar, dass die Geschwindigkeit in y-Richtung in beiden Fällen die gleiche ist, und damit auch die Fallzeit. Denn für die Abwärtsbewegung ist nur die vertikale Geschwindigkeit ausschlaggebend. Beim horizontalen Schuss ist jedoch das Tempo entlang der Bahn größer als beim senkrechten Fall, weil sich die vertikale und die horizontale Geschwindigkeit vektoriell addieren. Das muss auch so sein, denn der Weg ist ja länger. Der Betrag der Geschwindigkeit ist beim horizontalen Wurf größer, nämlich $v_{Wurf}=\sqrt{v_{0x}^2+(- g t)^2}$, aber die Geschwindigkeit ist eben nicht direkt nach unten gerichtet. Beim freien Fall ist das Tempo entlang der Bahn "nur" $v_{Fall}=\sqrt{(- g t)^2}$, was immer noch ganz schön flott ist.


Abb.F3
Verständnisfrage 3: Das Bild zeigt eine elektrische Ladung, die mit konstantem $v_{0x}$ in x-Richtung fliegt und dann in einen Bereich eindringt, in dem sie konstant in y-Richtung beschleunigt wird. Welche der Kurven A bis D zeigt noch am besten ihre Bahnkurve?
Nur Kurve D passt. Die Bewegung entspricht dem horizontalen Wurf, nur dass die Beschleunigung nach oben gerichtet ist. Es muss eine Parabel sein, die nach oben steiler wird. Dazu passt nur D.



Kreisbewegung

Abb.4 Kreisbewegung

Eine Kreisbewegung entsteht, wenn sich zwei harmonische Schwingungen überlagern, wobei die Schwingungen mit gleicher Schwingungsdauer T und gleicher Amplitude R erfolgen, jedoch zeitlich genau um eine viertel Schwingungsdauer versetzt sind. Das wird einfach so erzeugt, dass die eine Schwingung durch eine Cosinus-Funktion und die andere durch eine Sinus-Funktion beschrieben wird. In einer Schwingungsdauer läuft der Körper einmal im Kreis und sein Ortsvektor hat sich einmal um den Vollwinkel 2π verdreht. Die Größe, die angibt, um welchen Winkel sich der Ortsvektor in welcher Zeit verdreht, nennt man Winkelgeschwindigkeit ω. Wenn sich das Tempo des Körpers entlang der Kreisbahn nicht ändert, sondern gleich bleibt, dann bleibt auch ω immer gleich und ist $\omega=\dfrac{2\pi}T$. Eine solche Bewegung nennt man gleichförmige Kreisbewegung. Der Ortsvektor der gleichförmigen Kreisbewegung ist $\vec r(t)=\left(\begin{matrix}R\cos (\omega t+\varphi _0) \\R\sin (\omega t+\varphi _0) \end{matrix}\right)$, die Geschwindigkeit ist $\vec v(t)=\left(\begin{matrix}-R\omega \sin (\omega t+\varphi_0)\\R\omega \cos (\omega t+\varphi _0)\end{matrix}\right)$ und die Beschleunigung ist $\vec a(t)=\left(\begin{matrix}-R\omega ^2\cos (\omega t+\varphi _0) \\-R\omega ^2\sin (\omega t+\varphi_0)\end{matrix}\right)$. In den Ausdrücken ist $\varphi_0$ der Winkel, um den der Ortsvektor für t = 0 verdreht ist. In Abb.4 ist $\varphi_0 = 0$, d.h. der Ortsvektor liegt bei t = 0 auf der x-Achse und zeigt in die positive Richtung. Bei der Kreisbewegung sind die Bewegungen in die einzelnen Raumrichtungen nicht unabhängig voneinander, sondern starr aneinander gekoppelt.

Abb.B6
Beispiel 6: Geschwindigkeit und Beschleunigung bei der gleichförmigen Kreisbewegung

Obwohl das Tempo entlang der Bahn stets gleich bleibt, ändert sich ständig die Geschwindigkeit. Sie ändert nämlich ununterbrochen ihre Richtung. Nur ihr Betrag bleibt konstant. In der Physik ist jede Geschwindigkeitsänderung mit einer Beschleunigung verknüpft. Auch dann, wenn sich "nur" die Richtung ändert. Wenn dar Körper wie in Abb.4 links herum kreist, wird dabei der Geschwindigkeitsvektor ständig links herum verdreht. Daraus wollen wir jetzt die Beschleunigung bestimmen und mit dem Ausdruck für $\vec a(t)$ in Einklang bringen.

Was wir aus der Bahnkurve ablesen können, sind die Richtungen der Geschwindigkeiten, denn der Geschwindigkeitsvektor liegt immer tangential an der Bahnkurve. Abb.B6 zeigt den Zusammenhang. Bei einer kleinen (differentielle) Verschiebung des Ortsvekors im Zeitintervall dt verdreht sich auch der Geschwindigkeitsvektor etwas. Rechts neben der Kurve sind die beiden Geschwindigkeitsvektoren gezeigt. Beide Vektoren unterscheiden sich nur um eine kleine Geschwindgkeitsänderung $d\vec v$. Sie ist einfach die Differenz der beiden Geschwindigkeitsvektoren. Die Beschleunigung hat - genau wie bei der eindimensionalen Bewegung - immer die gleiche Richtung wie die Geschwindigkeitsänderung. Sie zeigt für die gezeigten Zeitpunkte genau auf den Kreismittelpunkt entlang der gestrichelten Winkelhalbierenden zwischen $\vec r(t)$ und $\vec r(t+\text dt)$. Wenn wir dt immer kleiner machen, nähern sich beide Ortsvektoren und ihre Winkelhalbierende immer mehr an und fallen für den Grenzfall dt → 0 aufeinander. Dann zeigt die Beschleunigung genau entgegen $\vec r(t)$. Das ist genau das, was der Ausdruck für $\vec a(t)$ angibt. Ein Vergleich mit $\vec r(t)$ zeigt nämlich, dass $\vec a(t)=-\omega^2 \vec r(t)$ ist. Das ist nichts anderes als ein Vektor, der in die umgekehrte Richtung von $\vec r(t)$ zeigt und den Betrag $a = \omega^2 r$ hat. Diese Beschleunigung ist die sogenannte Radialbeschleunigung. Sie ist bei jeder Kreisbewegung vorhanden, denn sie krümmt die Bahnkurve zur Kreisbahn.


Verständnisfrage 4: Beschreibe die Bahnkurve, die erzeugt wird, wenn sich eine gleichförmige Kreisbewegung in der xy-Ebene mit einer gleichförmigen Bewegung in z-Richtung überlagert?
Das ergibt eine Schraubenkurve in z-Richtung.
Verständnisfrage 5: Beschreibe die Bahnkurve, die erzeugt wird, wenn sich zwei Schwingungen genau wie bei der gleichförmigen Kreisbewegung überlagern, nur dass die Amplitude in x-Richtung größer als die in y-Richtung ist.
Das ergibt eine Ellipse mit der langen Achse in x-Richtung.
Verständnisfrage 6: Beschreibe die Bahnkurve, die erzeugt wird, wenn sich zwei Schwingungen genau wie bei der gleichförmigen Kreisbewegung überlagern, nur dass die Schwingungsdauer in x-Richtung doppelt so groß wie die in y-Richtung ist.
Das ergibt eine Art liegender Parabel mit der Öffnung in x-Richtung.